DFG-GRADUIERTENKOLLEG
"Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz
in religiösen Symbolsystemen"

Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Würzburg
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Die verschiedenen Fachrichtungen des Kollegs gehen dem gemeinsamen Ziel der Geschlechterforschung im Rahmen einer wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Religionen nach.
 
Der Begriff der Geschlechterdifferenz bringt die Verschiedenheit der Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern zum Ausdruck, die zu den Grunderfahrungen menschlichen Lebens gehört. Die Reflexion über die konstitutive Bedeutung der Kategorie Geschlecht hat sich inzwischen als interdisziplinäres und internationales Forschungsfeld im wissenschaftlichen Diskurs unter dem Begriff Gender Studies etabliert.
In der Forschungsgeschichte stand zunächst die Analyse der wechselseitigen Wirkung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen zwischen Frauen und Männern im Vordergrund. Seit den 90-er Jahren wird der Begriff der Geschlechterdifferenz um zusätzliche Aspekte der Differenz wie ökonomische, ethnische, religiöse und sexuelle Unterschiede erweitert und trägt damit der Komplexität gesellschaftlicher Strukturen und ihrer Erfahrung Rechnung. Die gegenwärtige Debatte um den Differenzbegriff ist durch dekonstruktivistisch, psychoanalytisch und stärker essentialistisch orientierte Richtungen bestimmt. Der dekonstruktivistische Ansatz versteht Geschlechterdifferenz als Ergebnis einer kulturellen Konstruktion, die es aufzudecken und kritisch zu hinterfragen gilt (J. Butler, D. Haraway). Aus psychoanalytischer Perspektive ist die sexuelle Beziehung an sich unmöglich. Die Geschlechterdifferenz ist hier der Ausdruck für diese Unmöglichkeit und beruht auf einer psychischen Grunderfahrung, einem Trauma, das dem Verhältnis des Einzelnen zur sozialen Ordnung zu eigen ist (J. Lacan, S. Zizek, J. Copejc). In der essentialistischen Forschungsrichtung wird Geschlechterdifferenz als eine ontologische Kategorie aufgefaßt, die die falsche Neutralität des Sprechens im Hinblick auf beide Geschlechter aufzeigt. Sie setzt die Zweiheit der Geschlechter an den Anfang jeder Politik (Diotima, J. Kristeva, L. Irigaray). Das Graduiertenkolleg reflektiert diese konkurrierenden Haupttentenzen der Gender Studies intensiv, macht sie für die einzelnen Forschungsarbeiten fruchtbar und versucht seinerseits eigenständige Erkenntnisse zu Differenzen und Ordnungen der Geschlechter beizutragen.

Religionen waren und sind ein wichtiges Medium, um Geschlechterrollen zu konstituieren, zu prägen und zu stabilisieren. Sie enthalten jedoch auch Momente, in denen festgesetzte Rollenmodelle unterlaufen und aufgebrochen werden können. Das Kolleg befaßt sich mit Religionen aus verschiedenen räumlichen und zeitlichen Kontexten, setzt dabei aber bestimmte Schwerpunkte:
Unter historischen Fragestellungen werden die Religionen vorgeschichtlicher und klassisch antiker Gesellschaften aus dem europäischen Raum, im Vorderen Orient und Ägypten einbezogen, die für die europäische Kulturgeschichte und die christliche Religion prägend waren. Ergänzend kommen empirische Fragestellungen hinzu, die sich auf gegenwärtige religiöse Formen und Inhalte beziehen und auch die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft thematisieren.
 
Die gemeinsame Gesprächsebene für die verschiedenen religiösen Phänomene bietet das Verständnis von Religionen als Symbolsysteme. Dieser aus der Kulturtheorie stammende Begriff faßt Religionen als geschichtlich übermittelte Komplexe von Bedeutungen und Vorstellungen auf, die in symbolischer Form zutage treten und auf diese Weise ihre Kommunikation und Weiterentwicklung ermöglichen (C. Geertz). Symbolsysteme funktionieren auf zweifache Weise: Sie sind einerseits Modelle von Wirklichkeit und gestalten sie andererseits.
Da der Begriff der religiösen Symbolsysteme Methodenvielfalt impliziert - d.h. gleichermaßen integrierbar ist für eine dekonstruktivistische Ausrichtung, die psychoanalytische Thematisierung der symbolischen Ordnung und eine essentialistische Untersuchung von Lebenswelten - ergeben sich unterschiedlichste Anknüpfungspunkte sowohl für Fragestellungen der Gender Studies als auch zu den Forschungsprojekten der Kollegmitglieder.
Auf diesen Gebieten arbeitet das Kolleg in interdisziplinärem Rahmen, der die Analyse unterschiedlichster Quellen wie z.B. Texte, Bildmaterialien, archäologischer Funde und Interviews beinhaltet. Das breite Instrumentarium an Methoden, die den individuellen Fragestellungen der Forschungsarbeiten gerecht werden sollen, ist ein Charakteristikum des Kollegs. Berücksichtigt werden neben verschiedenen Gender-, Religions- und Kulturtheorien auch methodische Ansätze aus der Kulturanthropologie, den Postcolonial Studies, der Literaturwissenschaft u.a., die den Anspruch des Kollegs unterstreichen den sich in internationalen Diskursen rapide entwickelnden Forschungsgebieten Gender Studies und Religion gerecht zu werden.
 
 


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